Göttliche Psilocybinerfahrungen im Vergleich Eine bahnbrechende Studie der Johns Hopkins University zeigt überraschende Parallelen zwischen psychedelisch und spontan erfahrenen göttlichen Begegnungen In einer Zeit, in der Neurowissenschaft und Spiritualität sich zunehmend annähern, wirft eine außergewöhnliche Forschungsarbeit neues Licht auf eines der intimsten menschlichen Erlebnisse: die persönliche Begegnung mit dem Göttlichen. Die im renommierten Fachjournal PLOS […]
In einer Zeit, in der Neurowissenschaft und Spiritualität sich zunehmend annähern, wirft eine außergewöhnliche Forschungsarbeit neues Licht auf eines der intimsten menschlichen Erlebnisse: die persönliche Begegnung mit dem Göttlichen. Die im renommierten Fachjournal PLOS ONE veröffentlichte Studie unter der Leitung von Roland R. Griffiths an der Johns Hopkins University School of Medicine untersucht systematisch, was Menschen erleben, wenn sie berichten, Gott, eine höhere Macht oder die ultimative Realität begegnet zu sein – unabhängig davon, ob diese Erfahrung spontan oder durch klassische Psychedelika wie Psilocybin, LSD, Ayahuasca oder DMT ausgelöst wurde.
Die Forscher rekrutierten über eine groß angelegte Online-Befragung insgesamt 4.285 Teilnehmer, die über ihre einprägsamste Gottesbegegnung berichteten. Die Stichprobe teilte sich in fünf distinkte Gruppen auf:
Entscheidend für die Aussagekraft der Studie: Die Nicht-Drogen-Gruppe wurde streng von allen Personen bereinigt, die jemals eine Gotteserfahrung unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen erlebt hatten. Die psychedelischen Gruppen wurden nur von Personen gebildet, die eine einzelne Substanz konsumiert hatten. Zudem wurden demographische Unterschiede zwischen den Gruppen statistisch adjustiert, um verzerrende Effekte zu minimieren.
Die Teilnehmer waren durchschnittlich 38,3 Jahre alt zum Zeitpunkt der Befragung und erlebten ihre Gottesbegegnung im Durchschnitt mit 27,2 Jahren – die Erfahrung lag also durchschnittlich über ein Jahrzehnt zurück. Dies spricht für die außerordentliche Prägekraft dieser Erlebnisse, die auch nach vielen Jahren noch lebhaft in Erinnerung blieben.
Das vielleicht bemerkenswerteste Ergebnis der Studie ist die fundamentale Übereinstimmung zwischen den Gruppen, trotz der völlig unterschiedlichen Auslöser. Die Gemeinsamkeiten überwiegen die Unterschiede bei weitem.
Sowohl in der Nicht-Drogen- als auch in den psychedelischen Gruppen berichteten die Teilnehmer von außerordentlich lebhaften Erinnerungen an ihre Erfahrung. Interessanterweise bewertete die Nicht-Drogen-Gruppe die Lebendigkeit ihrer Erinnerungen noch etwas höher (92 von 100 Punkten) als die psychedelischen Gruppen (76 von 100 Punkten) – beide Werte sind jedoch als sehr hoch einzustufen.
Ein weiterer faszinierender Befund: Beide Gruppen bewerteten ihre Erfahrung als realer als die alltägliche Wirklichkeit. Die Teilnehmer erlebten diese Begegnungen nicht als Halluzinationen oder Einbildungen, sondern als Zugang zu einer tieferen, authentischeren Realität.
Unabhängig vom Auslöser beschrieben die Teilnehmer das, dem sie begegneten, mit bemerkenswert konsistenten Attributen. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer – sowohl in der Nicht-Drogen- als auch in den psychedelischen Gruppen – charakterisierten das Begegnete als:
Weniger als 10% der Teilnehmer in beiden Gruppen beschrieben das Begegnete als negativ urteilend oder böswillig. Die mittleren Bewertungen für Attribute wie „heilig“, „intelligent“, „wohlwollend“ und „bewusst“ lagen in beiden Gruppen bei über 89 von 100 Punkten.
Etwa 70% beider Gruppen bestätigten, dass das, dem sie begegneten, zumindest teilweise in einer anderen Dimension oder Realität existiert und dass es nach der Begegnung weiter existierte.
Die Studie erfasste detailliert, wie die Begegnung erlebt wurde. Alle Teilnehmer berichteten, dass ein oder mehrere Sinne involviert waren. Die am häufigsten genannten Modi waren:
Etwa 65% aller Teilnehmer berichteten von einer tatsächlichen Kommunikation – einem Informationsaustausch mit der begegneten Entität. Rund 90% in beiden Gruppen hatten eine emotionale Reaktion während der Begegnung, und etwa 75% gewannen eine Botschaft, Mission oder Einsicht aus der Erfahrung.
Die Studie verwendete den wissenschaftlich validierten Mystical Experience Questionnaire (MEQ30), der auf dem konzeptionellen Modell des Religionsphilosophen Walter Stace basiert. Dieser Fragebogen erfasst vier Kerndimensionen mystischer Erfahrungen:
Eine „vollständige mystische Erfahrung“ liegt vor, wenn alle vier Subskalen mit mindestens 60% bewertet werden.
Die Ergebnisse sind bemerkenswert:
Innerhalb der psychedelischen Gruppen zeigten sich Unterschiede: Die DMT-Gruppe hatte mit Abstand die höchste Rate vollständiger mystischer Erfahrungen und übertraf Psilocybin und LSD signifikant bei den Faktoren „Transzendenz von Zeit und Raum“ und „Unbeschreiblichkeit“.
Trotz der überwältigenden Gemeinsamkeiten offenbarte die Studie auch einige aufschlussreiche Unterschiede, die primär die Interpretation und Kontextualisierung der Erfahrung betreffen:
Die vielleicht interessanteste Diskrepanz betrifft die Frage, wie die Teilnehmer das Begegnete am besten beschreiben würden:
Dieser Unterschied ist besonders interessant, da er möglicherweise eher semantische und konzeptuelle Interpretationsrahmen widerspiegelt als fundamentale Unterschiede in der phänomenologischen Erfahrung selbst. Die Nicht-Drogen-Gruppe war tendenziell religiöser orientiert, während die psychedelischen Gruppen häufiger einen spirituellen, aber nicht-theistischen Hintergrund hatten.
Die Nicht-Drogen-Gruppe war signifikant häufiger:
Die psychedelischen Gruppen berichteten häufiger:
Unabhängig von der Ursache wurden die Gotteserfahrungen von den Teilnehmern als außerordentlich bedeutsam eingestuft. Die Zahlen sprechen für sich:
Die Teilnehmer berichteten von moderaten bis starken, dauerhaft positiven Veränderungen in zahlreichen Lebensbereichen:
Beide Gruppen bewerteten anhaltende positive Veränderungen in:
Spezifische Effekte:
Die Ayahuasca-Gruppe fiel hier besonders auf: Sie berichtete signifikant häufiger als die Psilocybin- und LSD-Gruppen von positiven Veränderungen in sozialen Beziehungen, Lebenszufriedenheit, spirituellem Bewusstsein, Einstellungen zu Leben und Selbst, Stimmung und Verhalten. Dies könnte auf den häufigeren Gebrauch von Ayahuasca in strukturierten, religiösen Gruppenkontexten zurückzuführen sein.
Eines der überraschendsten Ergebnisse der Studie betrifft die Veränderung religiöser Identifikation:
Vor der Erfahrung identifizierten sich als Atheisten:
Nach der Erfahrung identifizierten sich als Atheisten:
Besonders bemerkenswert: Von denjenigen, die sich vor ihrer Gotteserfahrung als Atheisten identifizierten, taten dies danach über 67% nicht mehr – und dies galt für alle fünf Gruppen gleichermaßen. Dieser Befund war in allen Gruppen statistisch signifikant und erinnert an klassische Bekehrungserlebnisse, wie sie in der Religionspsychologie beschrieben werden.
Die Studie erlaubt auch einen differenzierten Blick auf die vier untersuchten Psychedelika:
Die Psilocybin- und LSD-Gruppen waren sich auf allen 76 erfassten Items bemerkenswert ähnlich. Trotz unterschiedlicher molekularer Strukturen, Rezeptorprofile und Wirkdauern produzierten beide Substanzen praktisch identische Gottesbegegnungserfahrungen. Dies ist insofern überraschend, als beide zwar klassische Psychedelika sind, deren Wirkung primär über den 5-HT2A-Rezeptor vermittelt wird, sie aber sonst pharmakologisch unterschiedlich sind.
Die Ayahuasca-Gruppe unterschied sich demographisch am stärksten von den anderen psychedelischen Gruppen: älter, häufiger weiblich, höher gebildet, häufiger verheiratet und seltener aus den USA. Diese Unterschiede spiegeln wahrscheinlich die häufigere Verwendung von Ayahuasca in strukturierten religiösen oder spirituellen Gruppensettings wider (Santo Daime, União do Vegetal).
Die Ayahuasca-Gruppe zeigte tendenziell die höchsten Raten bei positiven Attributen des Begegneten und bei anhaltend positiven Konsequenzen. Sie berichteten signifikant häufiger als die Psilocybin- und LSD-Gruppen von:
Die DMT-Gruppe (überwiegend geraucht, nicht als Ayahuasca) war demographisch der Psilocybin- und LSD-Gruppe ähnlich, unterschied sich aber deutlich in der Intensität und Art der Erfahrung:
Interessanterweise ähnelte das DMT-Profil trotz der unterschiedlichen Kontexte dem Ayahuasca-Profil, was darauf hindeutet, dass N,N-Dimethyltryptamin (der psychoaktive Hauptbestandteil beider) über verschiedene Anwendungsformen hinweg robuste, charakteristische Effekte produziert.
Die Studie berührt eine der fundamentalsten Fragen der Religionsphilosophie: Können Gottesbegegnungen, die durch psychoaktive Substanzen ausgelöst wurden, als „authentische“ religiöse Erfahrungen betrachtet werden?
Einige Religionsgelehrte haben argumentiert, dass drogeninduzierte Erfahrungen keine echten religiösen Erfahrungen sein können. Andere, darunter der einflussreiche Religionsphilosoph Huston Smith, haben dem das „Prinzip der kausalen Indifferenz“ entgegengesetzt: Wenn zwei Erfahrungen phänomenologisch nicht zu unterscheiden sind, kann nicht behauptet werden, die eine sei echt und die andere nicht.
Die Daten dieser Studie liefern empirische Unterstützung für diese Position. Die überwältigenden Ähnlichkeiten in beschreibenden Details, Interpretation und langfristigen Konsequenzen zwischen den Gruppen legen nahe, dass der Auslöser der Erfahrung weniger relevant sein könnte als die Erfahrung selbst.
Gleichzeitig betonen die Forscher zu Recht, dass weder detaillierte phänomenologische Studien noch die aufstrebende Neurotheologie ontologische Fragen über die Existenz Gottes beantworten können. Die Wissenschaft kann beschreiben, was Menschen erleben und wie ihr Gehirn während solcher Erfahrungen funktioniert, aber sie kann nicht definitiv klären, ob diese Erfahrungen Begegnungen mit einer transzendenten Realität darstellen oder „nur“ neurobiologische Ereignisse sind.
Trotz der überwiegend positiven Bewertungen war etwa ein Drittel der Teilnehmer der Meinung, ihre Gotteserfahrung gehöre auch zu den fünf psychologisch herausforderndsten Erlebnissen ihres Lebens, und etwa 15% bezeichneten sie als die einzelne herausforderndste Erfahrung.
Dies steht im Einklang mit der klassischen Beschreibung des „Heiligen“ durch den Theologen Rudolf Otto, der vom „mysterium tremendum et fascinans“ sprach – dem Geheimnis, das zugleich furchteinflößend und faszinierend ist. Die Begegnung mit dem Absoluten kann sowohl überwältigend als auch transformativ sein, Ehrfurcht und Angst zugleich auslösen.
Die Autoren weisen selbst auf wichtige Einschränkungen hin:
Diese Forschung öffnet faszinierende Perspektiven für multiple Bereiche:
Die Befunde werfen grundlegende Fragen über die neurobiologischen Grundlagen von Spiritualität auf. Offenbar besitzt das menschliche Gehirn die intrinsische Fähigkeit zu diesen tiefgreifenden Bewusstseinszuständen – unabhängig vom Auslöser. Zukünftige Forschung mit bildgebenden Verfahren könnte die neuronalen Korrelate dieser Erfahrungen aufklären.
Die anhaltend positiven Veränderungen in Lebenszufriedenheit, Sinnerleben und Todesangst haben erhebliche Implikationen für therapeutische Anwendungen. Die Renaissance der psychedelischen Therapie, insbesondere bei Depressionen, Angststörungen und existenziellen Krisen am Lebensende, findet hier wissenschaftliche Unterstützung.
Die empirische Ähnlichkeit zwischen spontanen und substanzinduzierten Gotteserfahrungen fordert traditionelle Unterscheidungen zwischen „echten“ und „künstlichen“ spirituellen Erlebnissen heraus. Die Studie legt nahe, dass das phänomenologische Erleben und seine Konsequenzen wichtiger sein könnten als der Auslösemechanismus.
In einer Zeit zunehmender Säkularisierung bei gleichzeitig wachsendem Interesse an Spiritualität liefert diese Forschung eine empirische Basis für Gespräche über die Natur religiöser Erfahrungen. Sie zeigt, dass intensive spirituelle Erlebnisse nicht auf traditionell religiöse Kontexte beschränkt sind und dass verschiedene Wege zu ähnlich transformativen Erfahrungen führen können.
Die Autoren plädieren für zukünftige Forschung zu:
Diese wegweisende Studie demonstriert eindrucksvoll: Das menschliche Bewusstsein besitzt eine bemerkenswerte, möglicherweise universelle Kapazität für tiefgreifende spirituelle Erfahrungen, die als Gottesbegegnungen interpretiert werden. Diese Erlebnisse können auf verschiedenen Wegen entstehen – spontan oder durch Psychedelika – und führen zu erstaunlich ähnlichen phänomenologischen Erfahrungen und langfristig transformativen Effekten.
Die Tatsache, dass mehr als zwei Drittel derer, die sich vor ihrer Erfahrung als Atheisten identifizierten, dies danach nicht mehr taten, unterstreicht die potenzielle Macht dieser Erlebnisse, fundamentale Weltanschauungen zu verändern. Gleichzeitig zeigen die durchweg hohen Bewertungen von Lebenszufriedenheit, Sinnerleben und spirituellem Wachstum, dass diese Erfahrungen – unabhängig von ihrer metaphysischen Interpretation – zu den wertvollsten gehören, die Menschen machen können.
Für die Wissenschaft bleibt die spannende Aufgabe, die biologischen, psychologischen und sozialen Mechanismen weiter zu entschlüsseln, die diesen außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen zugrunde liegen. Für die Gesellschaft eröffnet diese Forschung einen differenzierten Diskurs über die Legitimität verschiedener Wege zu spiritueller Erfahrung in einer pluralistischen Welt.
In einer Zeit, in der viele Menschen nach Bedeutung und Verbindung suchen, erinnert uns diese Forschung daran, dass die menschliche Psyche eine inhärente Fähigkeit zur Transzendenz besitzt – eine Fähigkeit, die religiöse und spirituelle Traditionen seit Jahrtausenden kultivieren und die nun zunehmend auch das wissenschaftliche Interesse findet.
Dr. Lucas Pawlik
Quelle: Griffiths RR, Hurwitz ES, Davis AK, Johnson MW, Jesse R (2019) Survey of subjective „God encounter experiences“: Comparisons among naturally occurring experiences and those occasioned by the classic psychedelics psilocybin, LSD, ayahuasca, or DMT. PLoS ONE 14(4): e0214377.
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